Jaillissement & dissolution    
Thierry Girard    

Gegeben sind
1°/ der Lauf des Flusses
2°/ die Erinnerung der Orte

So entsteht die Idee einer Reise entlang der Donau, von ihren Ursprung, ihrer Quelle im Scharzwald bis dorthin, wo sie sich verliert und sich im Schwarzen Meer auflöst. Es handelt sich nicht darum, einfach nur den Flusslauf zu verfolgen - dies wäre lediglich eine Folge von Reiseimpressionen - sondern um eine Versuch, eine Reflexion über die Art und Weise, wie die Donau-Landschaft jene Geschichte widerspiegelt, durch die sie zwischen der schwindenen Erinnerung und dem, was an Spuren bleibt, geschaffen wurde.

Der Fluss beinhaltet gleicherweise das Prinzip des Lebens, des Austauchschs und des Übergangs, er ist Raum für alle möglichen Mischungen von Kulturen Einflüssen; und zugleich natûrliche Grenze, wo Invasionen und Ambitionen aufeinandertreffen und Europa sich teilt. Sein hauptsächliches Schlachtfeld liegt hier in seinem Inneren, und die Kriegsasche wird regelmässig wieder angefacht, gerade heute im zerrissenen Jugoslawien. Die Reise bereichert sich an dieser Spannung zwischen SchÖnheit und Schmerz, zwischen Heiterkeit und Konflikt.

Diese Arbeit vereinigt verschiedene Bildserien, die zurücklaufend die Tiefe der Dinge und ihre Schwingung zeigen. Ich beschwöre sehr wohl die Geschichte herauf, aber auch die Literatur, allen voran Claudio magris und die andere Fluss-Reisenden, die mir als Reiseführer und Weggenossen dienen; dann abschnittsweise Hölderlin, Heidegger, Céline, Bernhardt, Stifter, Schnitzler und viele andere...

Die Geschichte einer Landschaft ist auch jene ihrer Darstellung; daher diese “romantischer Landschaften”, die zugleich etwas über die Nostalgie einer noch immer sublimen Welt und das kritishe Signal ihres Vergehens aussagt. Im übrigen zieht sich eine Frage durch die ganze Reise : unter welchen Blickwinckel können wir die Dinge noch betrachten, einigen noch lebendingen Verletzungen in einer immer glatteren Erde, “der jede Exotik ausgetrieben wurde” (Henri Michaux), zum Trotz? Was bedeutet denn überhaupt die reise in diese Lânder in der heutigen Zeit?

Die Antwort liegt vielleicht hier, in dieser Erfahrung der Landschaftsdurchquerung, wobei die aufsteigenden Bilder gleichermassen Bruchlinien sind, durch die das Imaginäre eindringt, kleine Risse, die in dieser dialektischen Beziehung zwischen der geografischen Ortsveränderung und der inneren Reise ihre Wechselwirkungen veranschaulichen. Je weiter die Reise geht, umso mehr wird offenkundig, dass der Rückgriff auf die Geschichte auch als Vorwand dient, wie der leitfaden, von etwas noch Intimeren, und dass das Risiko einer etwas demonstrativen Überladenheit angesichts einer immer poetischer verdenden Sprache verschwindet. Die Fotografien geben somit einfach das VergnÛgen wieder, hier zu sein, am Rande des Flusses und ihm ein bisschen ähnlich zu sein, unendlich weit und friedvoll, mit neuen, aus der eigenen Kraft gewonnenen Reserven, um den Weg fortzusetzen.

© Thierry Girard, 1999

Die Fotografien werden, im Laufe der Jahreszeiten, von Februar 1994 bis Oktober 1996 aufgenehmt und in ihrer geografischen Abfolge gezeigt. Sie betreffen folgende Länder : Deutschland, Österreich, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien und Rumänien.

 
   
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